Wer Kinder hat, kennt Maxi-Cosi. Wie ein Baby-Autositz aus Brabant die Welt eroberte.
Der „Rolls-Royce“ unter den Baby-Autositzen musste sein Maxi-Cosi werden. Über 35 Jahre nach Vorstellung dieses für die damalige Zeit revolutionären Transportmittels für Babys lässt sich mit Sicherheit sagen: Sjef van der Linden aus Helmond hat seine Vorgabe weit übertroffen. Weit mehr als 50 Millionen Neugeborene wurden seit 1984 in einem Maxi-Cosi von der Geburtsklinik sicher nach Hause gebracht.
Es liegen Welten zwischen den frühesten Autostühlen für Babys und Kleinkinder und dem innovativen Produkt, das im November 2019 der Welt präsentiert wurde: Der Maxi-Cosi Coral. Genau wie die „Maxi Miliaan Import bv.“ – die Importfirma für Baby-Ausstattung, mit der 1968 alles anfing – sich nicht mehr mit dem heutigen Unternehmen vergleichen lässt, das seine Produkte inzwischen in mehr als 100 Länder verkauft. Doch die Leidenschaft und der Stolz der Mitarbeiter, das Gemeinschaftsgefühl und der Drang zu ständiger Verbesserung und Innovation haben in all der Zeit nicht abgenommen.
Maxi Miliaan Import verkaufte auch Kinderautositze, erklärt Rita Claassen, eine Mitarbeiterin der ersten Stunde. Diese waren von der deutschen Marke Storchenmühle und nur für Kinder geeignet, die bereits aufrecht sitzen konnten. Autositze für Babys gab es damals noch nicht. Babys beförderte man in einer Tragetasche – unhandlich und im Auto vollkommen unsicher.
Als Sjef van der Linden 1977 in Amerika einem Autositz für Babys begegnet, weiß er sofort: Das ist eine Marktlücke. Aber er erkennt auch, dass diese Kunststoffwanne mit Stahlrahmen in ihrer bestehenden Form nicht für den niederländischen Markt geeignet ist. Nicht nur, weil sie unansehnlich und „billig“ daherkommt, sondern vor allem, weil sie nie die strengen Kriterien der TNO – der niederländischen technischen Prüforganisation – erfüllen würde. Er nimmt die Konstruktion mit nach Helmond und macht sich an die Arbeit.
Es kostet Sjef van der Linden und sein Team sieben Jahre, bis ihnen endlich die begehrten Aufkleber mit dem TNO-Gütesiegel genehmigt sind. Der Nachweis, dass ihr Maxi-Cosi sicher ist. Sieben Jahre Crashtests und immer wieder neue Modifikationen. Es wird auch sieben Jahre dauern, bis die Gesetzgebung es erlaubt, Babys auf dem Rücksitz und dem Beifahrersitz vorne im Auto zu befördern – vorausgesetzt, sie sind in einem dafür zugelassenen Babysitz entsprechend angeschnallt.
„Es bedurfte eines Umdenkens, auch bei unseren Kunden“, erinnert sich Rita Claassen. „Babys mussten liegen – davon war man lange überzeugt. Wir haben viel mit Kinderärzten darüber diskutiert. Wie lange sollen Babys in liegender Haltung befördert werden? Doch nachdem TNO bestätigt hatte, dass unsere Methode die beste für den sicheren Transport von Babys war, ging es auf einmal flott.“ Viel Überzeugungsarbeit leisten die Filmaufnahmen von den Crashtests, die die TNO durchführt und die Sjef van der Linden mit Begeisterung vorzeigt. Im ersten Film liegt ein Dummy in einer Babytragetasche auf dem Rücksitz (und fliegt kreuz und quer durch das Auto), im zweiten sitzt die Puppe sicher in einem Maxi-Cosi auf dem Vordersitz. Die ersten 5000 Sitze sind innerhalb von vier Monaten ausverkauft.
In den darauffolgenden Jahren stellt Sjef van der Linden seinen Baby-Autositz erfolgreich in Deutschland, England, Belgien und Frankreich vor. 1993 ist Maxi-Cosi Marktführer in Deutschland und den Beneluxländern und der Gesamtabsatzmarkt erstreckt sich über 22 Länder. Ein Jahr darauf wird Maxi Miliaan bv Tochter des kanadischen Unternehmens Dorel Juvenile. Verkaufen ist für Sjef van der Linden, der keine Kinder hat, die das Unternehmen fortführen könnten, die beste Option, um die Kontinuität seines Unternehmens – nach seinen Maßstäben – zu gewährleisten.
Auch Dorel erlebt ein rasantes Wachstum. Das Maxi-Cosi-Programm wird um Autositze für Kleinkinder und für Kinder bis 12 Jahre erweitert. Und es folgen weitere Übernahmen, von u.a. Quinny, Safety 1st und Bébé Confort. „Dorel umfasst mittlerweile elf Marken und produziert an fünf Standorten weltweit auch Kinderwagen, Hochstühle, Kinderbetten und Spielzeug“, sagt Standortleiter Ingmar van den Berg.
„Doch unsere Stärke sind die Kinder-Autositze und in dieser Produktgruppe ist Maxi-Cosi unsere stärkste Marke.“ Da die meisten Maxi-Cosi-Produkte hier entwickelt und produziert werden, aber auch wegen der zentralen Lage in Nordwesteuropa und weil das Glanzstück des Unternehmens seinen Ursprung in Brabant hat, wird Helmond zum europäischen Hauptsitz.
Ingmar van den Berg: „Im Zeitalter der Globalisierung brauchen wir einen zentralen Ort, von dem aus wir die Weichen für die Zukunft stellen.“ Bereits heute arbeiten dort Mitarbeiter aus mehr als 20 Ländern. „Wenn man hier herumgeht, hört man viele Sprachen. Natürlich auch den typisch Brabander Tonfall. Denn die Hälfte der fast 260 Mitarbeiter kommt noch immer geradewegs aus Helmond.“
Im Laufe der Jahre wurden Baby-Autositze immer sicherer, komfortabler und einfacher in der Handhabung. Dabei ist es immer wieder Dorel, das bei Neuentwicklungen den Ton angibt und internationale Standards definiert. Einen Meilenstein bildete die Einführung des ISOFIX – ein System, bei dem eine starre Verbindung zwischen dem Kindersitz und der Fahrzeugkarosserie hergestellt wird. Damit hatte die umständliche und oft unsichere Befestigung mit Sicherheitsgurten ein Ende. Der Kindersitz rastet auf einem soliden Befestigungsbügel ein und damit ist er jederzeit sicher befestigt.
Noch sicherer werden die Sitze durch i-Size, eine neue EU-Richtlinie für die Sicherheit von Baby-Autositzen, an deren Ausarbeitung Dorel mitgearbeitet hat. Stühle, die die i-Size-Norm erfüllen (wie der Maxi-Cosi Pebble Pro) bieten zusätzlichen Schutz an der Seite, wodurch das Baby bei einem Seitenaufprall noch besser geschützt ist. „Mit dem Pebble haben wir für die gesamte Kinderautositz-Branche einen neuen Standard gesetzt“, sagt Produktmanager Rens Joosten. „Doch es ist nicht unsere Art, dass wir uns dann zufrieden zurücklehnen. Wir waren die ersten, die einen Baby-Autositz auf den Markt brachten. Jetzt ist es auch an uns, die nächste Herausforderung anzugehen: Wie macht man den Kindersitz leichter?“ Denn das kritisieren Eltern: Durch all die Sicherheitsverbesserungen ist der Maxi-Cosi schwer geworden.
Die Methode, mit der Dorel in Helmond die Herausforderung angeht, ist ganz typisch für das Unternehmen. Es ist die Methode von Sjef van der Linden. Ein offenes Ohr für den Kunden und Kooperation mit anderen. Umfangreiche Nutzerbefragungen zeigen deutlich auf, wie, wann und wie lange Eltern ihr Baby in einem Maxi-Cosi befördern. Das liefert entscheidenden Input für ein ergonomisch einwandfreies Produkt. Und es kristallisiert sich ein Wunsch heraus: Eltern möchten ihr Kind so nahe wie möglich bei sich haben. Daraus ergibt sich der erste modulare Baby-Autositz. Der brandneue Maxi-Cosi Coral besteht aus zwei Teilen: einer Sicherheitsschale, die im Auto verbleiben kann und einem leichten Tragekorb, in dem man sein Baby immer ganz nahe bei sich hat. Das klingt einfach – doch es zu entwickeln stellt einige Herausforderungen. Denn selbstverständlich macht Maxi-Cosi bei der Sicherheit keine Kompromisse. Rens Joosten: „Warum es dann doch gelingt? Weil wir nicht aufgeben. Weil wir offen für neue Ideen sind, Wagnisse eingehen, ausprobieren, testen und uns an die Arbeit machen. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern ist dabei hilfreich: Gemeinsam kommt man auf neue Ideen.“
Mit dem Maxi-Cosi Coral setzt Dorel abermals einen neuen Standard. Rita Claassen und Ingmar van den Berg freuen sich darauf, das innovative Produkt auf den Markt zu bringen. Als eine Art Huldigung wird dabei nach der Route von Sjef van der Lindens allererstem Maxi-Cosi vorgegangen: erst die Niederlande, Deutschland, England, Belgien und Frankreich, dann der Rest der Welt. Rens Joosten und sein Team sind schon mit der nächsten Herausforderung beschäftigt: „Dieses Problem haben wir gelöst, auf zum nächsten.“
1978 entwickelte die Maxi Miliaan bv einen robusten Kinderstuhl aus Holz. Für dessen Produktion kooperiert Sjef van der Linden mit der örtlichen Werkstatt für Menschen mit Handicap: Helso. Damit wird er zu einem Vorreiter in sozialem Unternehmertum. Noch immer arbeitet Maxi-Cosi mit der Organisation zusammen – die jetzt den Namen „Senzer“ trägt. Täglich arbeiten dort etwa 450 Menschen – die man gemeinhin abschätzig als „areitsmarktfern“ bezeichnet – mit Stolz am Zusammenbau der Baby- und Kinder-Sitze von Maxi-Cosi.
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