Jedes Jahr verwandeln überraschende Installationen von Künstlern Eindhoven in eine große Ausstellung von Lichtkunst. Mit GLOW setzt Eindhoven Zeichen im Grenzgebiet von Kunst, Design und Technik. Gleichzeitig sucht das Festival nach einer Balance: Was findet das Publikum noch glaubwürdig?
Eine ideenreiche Top-Veranstaltung im öffentlichen Raum Eindhovens, so kann GLOW mittlerweile charakterisiert werden. Jedes Jahr im November zeigen Künstler und Designer aus dem In- und Ausland neue Lichtkunst- und Designanwendungen, die die Vorstellungskraft anregen. Hunderttausende Besucher bestaunen rund dreißig Lichtkunstprojekte, die mit Hilfe fortschrittlichster Technologien geschaffen werden.
Es begann alles 2006, in bescheidenem Umfang. Eindhoven befand sich nach dem Umzug der Hauptniederlassung von Philips in einer Krise. „Der Ursprung von GLOW hat viele Väter, aber eine der Geschichten ist, dass das Festival seinen Ursprung in der Kneipe hat“, sagt Ronald Ramakers, Geschäftsführer und gleichzeitig künstlerischer Leiter des Festivals. „Jedenfalls suchte man nach einer entsprechenden Veranstaltung, um der Stadt einen positiven Impuls zu geben.“
GLOW unterstreicht die starke Verbundenheit Eindhovens mit Licht. Ab 1870 etablierte sich die Streichholzindustrie und 1891 gründete Philips dort eine Glühlampenfabrik. Aber außer „Lichtstadt“ ist Eindhoven auch die Stadt des Designs und der Technologie. Ein Lichtkunstfestival war der logische Schritt, um all diese Elemente zu unterstreichen und zu manifestieren. Inspiriert wurden die Pioniere von Lyon, wo das „Fête des Lumières“ jedes Jahr Millionen von Besuchern anzieht.
Waren im ersten Jahr hauptsächlich der Stadswandelpark und die Ufer des Flusses Dommel Schauplatz der Lichtkunst, verbreiteten sich die Installationen und Kunstwerke später über das Zentrum der Stadt. An den Festivalabenden schlendern die Besucher an rund dreißig Orten vorbei, an denen sich Architektur und öffentlicher Raum in märchenhafte oder gar futuristische Szenerien verwandeln.
Inzwischen hat sich GLOW Eindhoven eine solide Position unter den Top 5 der „meistbesuchten Lichtfestivals der Welt“ erobert. „Die Stärke ist die ständige Innovation“, sagt Ramakers. „Es ist ein Festival für Pioniere, bei dem Vordenker Inspiration gewinnen. Wir unterscheiden uns von anderen Lichtfestivals dadurch, dass wir außergewöhnliche Projekte umsetzen und einbetten. Lichtkunst erfreut sich allgemeiner Beliebtheit, aber wir wollen nicht nur reine Unterhaltung bieten. Wir fordern lieber Einwohner, Unternehmen und Institutionen dazu auf, mit Licht neue Formen und Geschichten zu kreieren.“
Gleichzeitig richtet sich das Festival an ein breites Publikum mit unterschiedlichsten Hintergründen und Bildungsniveaus. Wo die Dutch Design Week – die andere Visitenkarte von Eindhoven – ganz für Innovation steht, setzt GLOW auf größtmögliche Zugänglichkeit. „Wir agieren in der Mitte, wo es sowohl Platz für innovative Kunstformen als auch für Klischees gibt. Traditionelle chinesische Lichtkunst zum Beispiel sorgt immer noch für eine interessante Geschichte. Das gilt auch für die Sonnenblumen von Van Gogh, die in gigantischem Format mit Licht inszeniert werden.“
Ein Motto, das Ramakers gerne verkündet, ist, dass es die Stadt ist, die GLOW macht. In seiner Philosophie ist Eindhoven die Leinwand, auf der Teilnehmer aus allen Lebensbereichen ihren Beitrag leisten und ihre innovativen Entdeckungen mit der Öffentlichkeit teilen. Viele der Projekte sind Eindhovener Herkunft und werden vor Ort von international renommierten Designern, Technikern und Künstlern konzipiert und realisiert. In sogenannten GLOWlabs arbeiten Hightech-Unternehmen und Bildungseinrichtungen der Region mit Nachwuchstalenten zusammen.
Inspirationsquellen sind zum Beispiel die Lichttherapie, die in Eindhoven vom GGZ (dem Niederländischen Verband für psychische Gesundheit und Suchthilfe) angeboten wird. Ein weiteres Beispiel ist die Photonik der Technischen Universität Eindhoven, die für ein Kunstwerk eingesetzt wurde. „Licht, das man gar nicht sieht, wird in der Photonik für ultraschnelle Rechenleistung genutzt. Die Designer gestalten ihre eigene Geschichte mit einer Technik, die gleich um die Ecke verfügbar ist.“
Ramakers, ein Limburger, der in Amsterdam lebt, hält GLOW für durch und durch typisch Brabant. „Wir haben hier eine horizontale Gesellschaft von Menschen, die hart arbeiten und die viel miteinander kooperieren. Die Brabanter Mentalität zeichnet aus, dass man aus allem etwas macht. Das kommt schon in Ordnung, höre ich immer wieder. Und außerdem höre ich oft: Irgendwas hat jeder. Die Leute hier akzeptieren einfach wie es ist.“
Gleichzeitig orientiert sich GLOW stets internationaler. GLOW ist bestrebt, so viele Projekte wie möglich in Eindhoven zu realisieren. Dazu holt die Organisation neue Talente in die Stadt, sowohl aus den Niederlanden als auch aus dem Ausland. „Damit möchten wir einen frischen Wind hineinbringen. Dann hoffen wir, dass sie hierbleiben und als Botschafter für die Stadt auftreten. Hier hat sich ein großstädtisches Klima entwickelt, eine attraktive Stadt zum Leben und Arbeiten. Damit können wir dieses Talent hierhalten.“
Einen Nutzen für die Stadt gibt es reichlich. GLOW öffnet ein Tor zu Eindhoven, sagt Rademakers. Die Besucher halten sich etwa zwei Stunden auf dem Festival auf und dabei lernen sie die Stadt kennen. Darüber hinaus ist GLOW auch eine Visitenkarte im internationalen Handel. Unternehmen zeigen bei ihren Präsentationen gerne ihr Engagement für das Event in Eindhoven.
Neben großen Unternehmen profitieren auch lokale Betriebe und Restaurants von der Veranstaltung. Der Einzelhandel verzeichnet dank der vielen Besucher, die GLOW jedes Jahr in die Innenstadt von Eindhoven zieht, einen ausgezeichneten Umsatz. Bildungseinrichtungen nutzen GLOW als Unterrichtsort und geben Lehrern dafür frei.
Studenten können in einem Studienprojekt etwas für GLOW entwickeln. So haben beispielsweise die IT-Studenten von Fontys ein Projekt mit Licht und Farbe ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Gefahren öffentlicher WLAN-Netze zu schärfen. Ramakers: „GLOW ist eine sanfte Triebkraft, die sehr viele Verbindungen in die Stadt knüpft. Das Festival ist eine Quelle des Stolzes, der Innovation und der Ausstrahlung.“
Ausstrahlung lässt sich manchmal ziemlich wörtlich auffassen. Mit seinem Projekt Something Blue tauchte der finnische Lichtkünstler Kari Kola im Jahr 2018 die Skyline von Eindhoven in ein tiefblaues und violettes Licht. Die hellen Lichtstrahlen waren von weitem zu sehen, auch vom Flugzeug aus.
Es ist jedoch nicht die Absicht, dass das Festival noch spektakulärer wird, sagt Ramakers. „Wenn es immer größer und aufregender wird, nehmen es einem die Leute irgendwann nicht mehr ab“, ist seine Überzeugung. „Wir streben daher lieber nach Dynamik, indem wir große Installationen mit etwas Sanftem oder Kleinem abwechseln.“
Dabei wacht er auch darüber, dass GLOW nicht an seinem eigenen Erfolg untergeht. „Die große Gefahr liegt darin, dass das Festival mehr als eine Million Besucher anzieht. Dann kommt es im Besucherstrom auf der Route zu einem Engpass. Und wir sollten mehr eine Verteilung über das gesamte Gebiet anstreben. Wir wollen die Menschen mit einer dynamischen Präsentation überraschen, berühren oder faszinieren, die sie dazu verleitet, die gesamte Strecke zu gehen.“
GLOW festigt die erwünschte Identität der Stadt als Symbol für Innovation und Design, wie es die Initiatoren im Sinn hatten. Doch wie findet man den Weg zwischen Sponsorengeldern und Glaubwürdigkeit, zwischen breitem Geschmack und Innovation?
Darin muss man ständig abwägen, erklärt Ramakers. Er will mit Unternehmen an Innovation und Nachhaltigkeit arbeiten, ohne dass es zu einem Zirkus mit Firmennamen wird. Die Tendenz ist, überall Markennamen zu präsentieren, stellt er fest. „Aber so ein Formel-1-Erscheinungsbild will ich nicht haben. Jetzt stehen die Firmennamen auf kleinen Schildern. Kunst ist ziemlich sensibel. Übertriebenes Sponsoring wird von den Besuchern nicht angenommen.“
Er will auch, dass GLOW kostenlos zugänglich bleibt, denn in seinen Augen ist jeder ein Kunstkenner. Er unterstreicht das gerne mit den Worten von Gerard Philips, der 1925 sagte: „Licht ist Leben, Licht ist Glück, Licht ist Festlichkeit.“ „Diese Bedeutung wollen wir für GLOW aufrechterhalten. Gleichzeitig muss GLOW weiterhin Wert schaffen, damit es für die Gemeinde, Unternehmen, Schulen und andere Teilnehmer attraktiv bleibt, weiterhin in es zu investieren. Das erreichen wir, indem wir gemeinsam ein Festival aufbauen, bei dem nicht alles vorgekaut ist.“
Ein anderes Motto von Ramakers: Nicht wachsen, sondern balancieren. Eine der zukünftigen Herausforderungen besteht darin, sich stärker auf die Nachhaltigkeit zu konzentrieren. GLOW will energieneutral werden, aber auch im weiteren Sinne der Verschwendung entgegentreten und sich auf das Recycling konzentrieren.
„Wir untersuchen, wie Eindhovener Unternehmen schon das ganze Jahr über Energie für GLOW sparen können, indem sie beispielsweise das Licht eine Minute früher ausschalten. Es geht dabei vor allem um ein Statement, mit der wir das Bewusstsein schärfen wollen. Erfreulicherweise arbeiten immer mehr Projekte mit LED-Licht, das wesentlich energiesparender ist als Glühlampen. Auch bei dem Projekt, das wir jedes Jahr mit Kindern durchführen, arbeiten wir so viel wie möglich mit recycelbaren Materialien.“
„Bereits verwendete Lichtinstallationen setzen wir beim nächsten Mal auf andere Weise ein. So sind wir ständig auf der Suche nach Innovation und Balance, ohne dass es langweilig wird.“ Zwei Elemente werden weiterhin das Herzstück von GLOW bilden: der Außenraum als Kulisse und natürlich das Licht selbst. „Wir bleiben auch bei einer Route entlang von etwa dreißig Schauplätzen. Das ist eine gute Form, durch die sich der Rest von selbst ergibt. Auch verschaffen wir hiermit dem Publikum guten Überblick und sorgen für einen reibungslosen Durchfluss. Wir wollen die Leute kollektiv motivieren, sich die Kunstwerke in gleichmäßigem Tempo anzusehen.“
Das ganze Jahr über setzt sich ein eingespieltes Team hinter GLOW dafür ein, dass die Route, die Sicherheit, die Planung und alle anderen Belange rechtzeitig für das Festival organisiert sind. Sobald das Festival beginnt, stehen zahlreiche zusätzliche Leute bereit, die für die Ausführung aller Aktivitäten sorgen. Dabei sind etwa 25 ehrenamtliche Helfer beteiligt.
Sie alle arbeiten mit Spannung auf die Eröffnung des Festivals im November hin. Ramakers freut sich dann vor allem auf die Menschen in der Stadt. Er geht die Route in umgekehrter Richtung, um sich anzusehen, wie die Besucher auf die Installationen reagieren. „Am ersten Tag spürt man die Energie der Menschen. Ich achte auf das Tempo, wie sich die Masse verteilt und wohin die Blicke sich richten. Jedes Jahr stellt sich wieder die Frage, wie unsere Ideen ankommen. Das verleiht jedes Mal auch Inspiration für die nächste Ausgabe. Es ist auch nicht schlimm, dass GLOW vorübergehend ist. Als Menschen bestehen wir aus Erinnerungen. Es ist wundervoll, wenn diese Kunst einen Platz in den Herzen und Köpfen der Besucher findet.“
GLOW ist das größte und am längsten bestehende Lichtfestival der Niederlande. Die erste Ausgabe im Jahr 2006 war mit 45.000 Besuchern gleich ein Erfolg. Im Jahr 2018 erreichte die Veranstaltung die Rekordzahl von über 750.000 Besuchern.
Eineinhalb Wochen lang stellen sowohl lokale als auch internationale Lichtdesigner, Designer und Künstler ihre Arbeiten aus. Entlang aller Lichtinstallationen wird eine Route eingerichtet, die individuell oder mit Führung zurückgelegt werden kann.
Jedes Jahr ist das Festival einem Thema gewidmet. Die Arbeiten haben oft interaktive Elemente, sodass die Zuschauer Teil der Lichtinstallation sein können.
Artikel zuletzt aktualisiert am 6 November 2019.
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