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Mit Dahlien geschmückte Fahrräder: Hier begann 1936 die größte Blumenparade der Welt
  • Artikel 10.12.2019

Blumenkorso Zundert: Bau eines Korsowagens bei 40 Grad

5 Minuten Lesezeit

Sind die Wagen für den Blumenkorso in Zundert rechtzeitig fertig? Im heißen Sommer von 2018 wird es knapp.

„Der heißeste Sommer seit mindestens 1706“, so beschreibt das niederländische Wetterinstitut KNMI auf seiner Webseite den Sommer von 2018. In den sonst so geschäftigen Korsozelten in Zundert im Westen Brabants ist es besonders ruhig. Hier werden die Wagen für den größten Blumenkorso der Welt gebaut, der dieses Jahr am ersten Wochenende im September stattfindet. Im Zelt der Ortschaft Wernhout wischt sich der Designer Ronald van der Laag den Schweiß von der Stirn. Der Bau des Metallgerüsts, das Anbringen von Papiermaschee, das Anmalen, und – kurz vor dem Korso – das Anbringen der Dahlien: Das alles ist Aufgabe von freiwilligen Helfern. Aber im Zelt ist es fast 40 Grad und nur wenige sind erschienen. Van der Laag: „Wir müssen jetzt alle Register ziehen, damit wir es rechtzeitig schaffen.“

Blumenkorso Zundert in Zahlen

  • Bereits über 80 Jahre
  • 70.000 Besucher
  • 20 Ortschaften
  • 20 Wagen von höchstens 19 Meter lang, 9 Meter hoch und 4,5 Meter breit
  • 600.000 Dahlienknollen
  • 500.000 Blumen pro Wagen
  • etwa 16 Millionen Dahlien für den Handel

Ortschaften im Wettbewerb um den schönsten Wagen

Beim Blumenkorso Zundert nehmen 20 Ortschaften am Wettbewerb um den schönsten Wagen teil. Jede Ortschaft hat ihre eigene Identität und Fahne. Während des Baus wehen in wohl jeder Straße ein paar Fahnen. So zeigen die Einwohner, zu welcher Ortschaft sie gehören. Dass Nachbarn die gleiche Fahne hissen, ist längst nicht immer selbstverständlich.

Zundert zählt 19 Ortschaften. Aber die Ortschaft Schijf - die früher zu Zundert gehörte, heute jedoch Teil von Rucphen ist - stellte vor einigen Jahren den Antrag, wieder teilnehmen zu dürfen, und so kommt die Zahl auf 20. Ein Zeichen der Hartnäckigkeit des Korsovirus. Hier erwischt es die Einwohner Zunderts bereits im Kindesalter. Kinder haben nämlich auch ihren eigenen Korso mit kleinen Wagen - zwei Wochen nach dem großen. Aber auch beim Bau der großen Wagen helfen Kinder mit. Es sind vor allem Senioren und Kinder, die in den letzten Tagen vor dem Korso Millionen Dahlien mit Nägeln versehen. Die Nägel dienen der Befestigung der Blumen an den Wagen. ‚Prikken en tikken‘ nennt man das hier, also piksen und hämmern.

Mit Dahlien geschmückte Fahrräder: Hier begann 1936 die größte Blumenparade der Welt
Photo: Joeri Sannen

Rivalität und Zusammenarbeit

Sommerzeit ist Korsozeit in Zundert. Aber auch in den anderen Jahreszeiten ist man damit beschäftigt. Bereits im Dezember wählt die Ortschaft gemeinsam einen Entwurf aus; vorab beurteilt der Korsovorstand auf Qualität und Umsetzbarkeit. Ein Großteil der Designer stammt aus Zundert. Oft arbeiten sie zu zweit oder zu dritt, denn während des Baus müssen sie häufig im Zelt dabei sein um Hinweise zu geben. Von den Entwürfen werden Modelle angefertigt, die im Juni während der Erdbeerfeste präsentiert werden.

„Dass die Ortschaften vorher schon die Wagen der anderen sehen, das war früher undenkbar“, erzählt Ad Boemaars, bei der Stiftung Blumenkorso Zundert für Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Damals hat man die Zelte sogar bewacht. Hatte man Beziehungen zu einem Mädchen einer anderen Ortschaft angeknüpft, durfte man nicht ins Zelt.“ Natürlich herrscht auch heute noch eine gewisse Rivalität. Nichts ist schöner als mit dem eigenen Wagen zu gewinnen. „Hauptsächlich wird jedoch zusammengearbeitet. Bekommt die eine Ortschaft eine bestimmte Bewegung des Wagens nicht hin, gibt eine andere Ortschaft auch mal Tipps. Und geht beim Umzug mit dem Wagen etwas schief, eilen alle heran, um zu helfen.“

Jedes Jahr werden 10 Millionen Dahlien für die Blumenparade in Zundert benötigt
Foto: Joeri Sannen

"Dass die Ortschaften vorher schon die Wagen der anderen sehen, das war früher undenkbar. Damals wurden die Zelte sogar bewacht."

Von Generation auf Generation

Aber kein Umzug ohne Dahlien. Die Knollen werden im April gesetzt. Im Schnitt sind es etwa 30.000 pro Ortschaft. Viele Ortschaften bauen dann auch schon ihr Korsozelt auf. Das Setzen der Knollen und der Aufbau der riesigen Zelte: Jedes Jahr wieder ein Happening für das gesamte Dorf. Wenn das Lkw-Fahrgestell, das Grundlage des Wagens ist, im Zelt steht, werden die Gerüste aufgebaut - oft bis zu drei Etagen hoch. Kinder unter 12 dürfen die Gerüste nicht betreten. Sie helfen dann vom Boden aus - beispielsweise beim Reißen und Kleben des Papiers. Wenn man dann endlich zum ersten Mal auf das Gerüst darf, ist das ein besonderes Ereignis. Die Technik des Korsowagenbaus wird von Generation auf Generation weitergegeben. Viele Ortschaften organisieren speziell für die Jugendlichen Workshops, beispielsweise fürs Schweißen. Aber es werden auch ständig Neuheiten erfunden - vor allem in technischer Hinsicht: Bewegungen und Spezialeffekte sind wichtige Bestandteile der meisten Wagen. Für die Bauer ist es jedes Jahr wieder eine neue Herausforderung, der sie sich gern stellen: Wie sieht der Entwurf diesmal aus? Mit welchem Material arbeiten wir? Welche Bewegungen sind vorgesehen und lassen sie sich auch umsetzen? Wo in manchem Unternehmen oder mancher Organisation für die Umsetzung von Neuerungen die eine nach der anderen Projektgruppe gebildet wird, geht das in Zundert von selbst. Besser noch: Je größer die Herausforderung, die eine innovative Lösung verlangt, desto mehr Spaß die Männer und Frauen des Bauteams daran haben.  

An diesem heißen Sommertag im August stehen hoch oben auf dem Gerüst im Korsozelt der Ortschaft Wernhout ein paar Mädchen und schweißen. Am Boden kleben ein Vater und Sohn Papier auf einen Metallrahmen des Clowns, mit dem sie sich im September einen Sieg erhoffen. Korsostress herrscht jetzt scheinbar noch nicht.

Der Jubel von Zundert

Der Jubel von Zundert – dafür machen sie das alles. Zweimal fahren die Wagen an überfüllten Tribünen auf dem Marktplatz vorbei. Nach der ersten Runde wählt das Publikum seinen Lieblingswagen. Die Jury hat bereits vor dem Umzug eine erste Begutachtung durchgeführt – als alle Wagen auf dem Ausstellungsgelände bereitstanden. „Das ist der einzige Zeitpunkt, an dem die Rivalität spürbar ist“, sagt Ad Boemaars. „Aber zugleich merkt man, dass die Ortschaften es sich auch gegenseitig gerne gönnen, wenn die Wagen gut gelungen sind.“ Denn ein schöner Entwurf ist die eine Sache, eine gelungene Umsetzung eine andere.

Wenn der Zug zum ersten Mal über den Markt gefahren ist, trifft auch die Jury die endgültige Entscheidung. Erst während der zweiten Runde über den Marktplatz wird vor der Haupttribüne die vom Wagen erzielte Punktzahl bekannt gegeben. Der gewinnende Wagen darf dann als einziger anhalten. In dem Moment bricht dann der Jubel von Zundert aus. Ad Boemaars: „Dann kommen die Menschen der gewinnenden Ortschaft jubelnd von den Tribünen heruntergerannt, dann kommen die Schieber unter den Wagen hervorgekrochen, dann kann man erwachsene Männer weinen sehen.“

„Die Kraft des Korsos“

Während der letzten Tage im August wird es knapp: Schafft Wernhout es rechtzeitig, den Clown fertigzustellen? Auch in den anderen Korsozelten steigt der Stresspegel. Aber in der letzten Woche vor dem „Korsosonntag“ sieht man wieder das, was Ad Boemaars „die Kraft des Korsos“ nennt: „Man spürt: ‚Ich muss jetzt meinen Beitrag leisten‘ und erscheint in großer Anzahl in den Zelten um zu helfen.“ Bis abends spät wird gepikst und gehämmert – in der Nacht vor dem Korso sogar bis in die frühen Morgenstunden. Und dann endlich der andere besondere Moment: Der Wagen ist fertig, die Bauer bauen die Gerüste um den Wagen ab, öffnen das Zelt und fahren ihre Prunkstücke nach draußen. Erst jetzt sehen sie das Ergebnis ihrer harten Arbeit. Die Bauer sind stolz: „Wir spielen den Clown“ ist mehr als gelungen und bringt der Ortschaft Wernhout einen fünften Platz sowie den ersten Publikumspreis.

Montags werden alle Wagen nochmals einem internationalen Publikum vorgeführt. Am Dienstag werden sie vernichtet. Auch das ist Tradition. Den Clown von Wernhout gibt‘s nicht mehr. Aber die verbindende Kraft des Korsos – die bleibt.

Zundert und die Dahlien

Mit Dahlien geschmückte Fahrräder: So begann 1936 der größte Blumenkorso der Welt. Der Blumenumzug zu Ehren des Geburtstags von Königin Wilhelmina war die Idee des damaligen Beigeordneten Pieter van Ginneken. Die Gärten der Bauern standen ja schließlich voll mit Dahlien. Ideale Blumen für die Bauern, die keine Zeit hatte, sich um ihre Gärten zu kümmern: stark, pflegeleicht und mit einer Blütezeit von Juli bis Oktober. Im Laufe der Jahre wurden aus den Fahrrädern Wagen und diese Wagen wurden immer größer. Inzwischen braucht man für einen Korsowagen ungefähr eine halbe Million Dahlien; jährlich nehmen 20 Wagen teil. Das heißt, in Zundert werden jedes Jahr 10 Millionen Dahlien ‚gehämmert‘.

Dahlienhandel

Jede Ortschaft hat ein eigenes Dahlienfeld, mit Dahlien in verschiedensten Sorten und Farben. Freiwillige kümmern sich um die Dahlien. Sie jäten Unkraut und pflücken wahnsinnig viele Blumen. Denn je mehr man pflückt, desto mehr Blüten entstehen. In den Wochen, in denen man keine Dahlien für den eigenen Korso braucht, gehen etwa 15,5 bis 17 Millionen Blumen von Zundert zu anderen Korsos oder Veranstaltungen in den Niederlanden, in Belgien, Österreich und sogar Spanien. Eine besonderer Blumenausschuss lenkt den Handel. Mit dem Erlös der Dahlien bezahlen die Ortschaften den Bau ihrer Wagen.

Dahlienmangel

Manchmal hat eine Ortschaft zu wenig Dahlien für ihren Wagen. Grund ist dann meistens, dass der Entwurf eine bestimmte Dahliensorte (es gibt etwa 20.000) oder eine bestimmte Farbe erfordert. In dem Fall nutzt der Blumenausschuss seine Kontakte, um die gewünschten Blumen woanders zu beziehen. „Droht ein Mangel, gehen wir nach Lisse und Umgebung und fragen bei Berufszüchtern nach, ob wir pflücken können“, sagt Ludo Gommers, Vorsitzender des Blumenausschusses. „Sie züchten für die Knolle, wir für die Blüte. So wie wir züchten, so züchtet sonst niemand in den Niederlanden.“ Auch Hagelschauer und Windhosen können zu einem Mangel führen. Ludo: „Dann war‘s das mit den Blumen.“ Bisher war am Ende immer alles gut. Entweder mit Blumen von woanders oder weil die Zeit noch für neuen Anbau reichte. „Wenn es gar nicht anders geht, verwenden wir eine andere Dahliensorte. Die Farbe muss aber stimmen.“

Bei der Zunderts-Blumenparade kämpfen 20 Stadtteile um das schönste Auto
Foto: Joeri Sannen

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