Bis 2003 Niederlassung für Forschung und Entwicklung von Philips, dann kamen andere Unternehmen hinzu und entstand der klügste Quadratkilometer der Welt.
Stellen Sie sich vor: Ein Unternehmensgelände mit 170 Hightechunternehmen und -instituten, wie ASML, Philips, IBM, Intel und NXP. Dort arbeiten 12.000 Menschen 85 unterschiedlicher Nationalitäten. Großzügig eingerichtet mit vielen Grünflächen und sogar einem enormen Teich, jedoch so kompakt, dass alles zu Fuß erreichbar ist: Wir sind am High Tech Campus Eindhoven (HTCE), „dem klügsten Quadratkilometer der Welt“, wie man sich hier selbst gern nennt.
Das Unternehmensgelände, ursprünglich Forschungsstätte von Philips, öffnete 2003 anderen Unternehmen seine Tore. Bisher wuchs der Campus jedes Jahr weiter, sogar während der Krise kamen jährlich Unternehmen auf dem Gelände hinzu.
Die Hightech-Kraft des Campus im Bereich Forschung und Entwicklung ist im DNA. Was Philips NatLab am Ende der Neunziger für die Forschungs- & Entwicklungsarbeit und somit für die Entstehung von Unternehmen wie ASML und NXP war, ist heute der berühmte „klügste Quadratkilometer Europas“ mit etwa 12.000 Forschern, Entwicklern und Unternehmern aus über 85 Ländern, die bei 170 verschiedenen Unternehmen, Forschungsinstituten, Start-ups sowie Hightechunternehmen tätig sind.
HTCE ist eins der tonangebenden Zentren Europas für Forschungsarbeit im Bereich von Hightech-Systemen, eingebetteten Systemen, Internet-der-Dinge, Medizintechnik, Big Data und Photonik. Der Campus ermöglicht Forschung & Entwicklung sowie Produktentwicklung durch die Unterstützung einer Innovationsgemeinschaft von tausenden Forschern und Unternehmern, die täglich ihre Kenntnisse und Netzwerke teilen. Es ist der Ort, wo eine zufällige Begegnung einfach so zu bahnbrechenden Erfindungen führen kann.
Um sich am Campus niederlassen zu können, muss man vor allem gut in den Kontext der Umgebung passen. Marketingdirektorin Hilde de Vocht: „Wir sind Silicon Valley im Kleinen, im Briefmarkenformat. Wir bieten alles, was ein Unternehmen sich nur wünschen könnte. Wir haben so viele Einrichtungen, ich wüsste nicht, was noch hinzuzufügen wäre.“ Und das zeigt Auswirkungen, auch bei den ersten Bewohnern: Hans de Jong, Präsident Royal Philips Nederland, erwähnt gern die Bedeutung vom HTCE für Philips. „High Tech Campus hat sich zu einer sehr wichtigen Brutstätte für neue Ideen entwickelt. Für uns ist es der ideale Ort, um in Zusammenarbeit mit Dritten die Entwicklung neuer digitaler Technologien und Produkte zu beschleunigen.“
Das Netzwerk und die Atmosphäre seien einzigartig, meint Martijn van der Linden, Kommunikationsmanager bei Chiphersteller NXP. „Um einen herum arbeiten nur Leute, die sich mit Hightech beschäftigen. Das sorgt für Verbindung.“ Da das Gelände früher Philips gehörte, sind viele der damaligen Beschäftigten heute über die unterschiedlichen Unternehmen verteilt. „So entsteht automatisch ein großes Netzwerk. Man kennt in jedem der Unternehmen ein paar Leute.“
Tagsüber ist es meist ruhig am Campus; alle sind an der Arbeit. Aber zwischen halb 12 und halb 2 leeren sich die Büros und füllen sich die Fußwege: Mittagszeit. Beim ‚Strip‘ - einem 400 Meter langen Gebäude, das ein Grand Café, Restaurants, Geschäfte, einen Frisör sowie ein Fitness Center beherbergt - sind Kolleginnen und Kollegen in Gruppen unterwegs. Täglich essen etwa 4000 Personen am Strip. „Hier sprudelt es“, meint Ronn Andriessen, Direktor von Solliance. „Sobald man dort herumläuft, bekommt man einen internationalen Eindruck, denn man spricht in allen Sprachen.“ Wenn er Gäste aus dem Ausland zu Besuch hat, geht er mit ihnen ins Café Colour Kitchen essen. „Dort wird man bedient. Verbringe ich die Mittagspause mit Kollegen und Kolleginnen, gehen wir der Geselligkeit halber eine Runde über den ‚Strip‘ und holen uns etwas im Supermarkt. Man kann sich hier einfach irgendwo ganz zwanglos treffen, das ist das Angenehme hier am Campus.“
Die Cateringmöglichkeiten sind ein Mittel zur Betonung des unterscheidenden Punkts des Campus: der offenen Innovationskultur. Deutliches Beispiel ist die gemeinschaftliche Nutzung von Forschungseinrichtungen wie Clean Rooms und Geräten. Braucht man ein Mikroskop? Dann mietet man es für eine Stunde. Ein Labor? Einfach reingehen und beginnen. Robbert Daan, Marketingdirektor von Philips Innovation Services: „So können sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen beschränken und brauchen sich nicht mit den Randbedingungen zu beschäftigen oder in teure Geräte zu investieren.“ Sogar Forschungsteams oder Experten kann man mieten. Und Roboter. Daan: „Es gibt eine große Nachfrage von Unternehmen nach Experten, die nur für wenige Monate gebraucht werden. Oder man beauftragt ein bestimmtes Team für die Dauer von zwei Jahren. Der große Vorteil: So bekommt man Leute, die bereits zusammengearbeitet haben und den Campus kennen.“
Dass die Produktivität so hoch ist, merkt man unter anderem an der Anzahl der Patentanmeldungen. Täglich werden von Eindhoven aus vier Patente angemeldet, das sind etwa 40 Prozent der Gesamtanzahl angemeldeter Patente in den Niederlanden. Forbes Magazine nannte Eindhoven deshalb die „innovativste Stadt der Welt“.
Ein anderer wichtiger Faktor für offene Innovationen sind die hier ansässigen jungen Unternehmen: die Start-ups. HTCE verfügt über eine lange Liste innovativer Hightech-Starter, deren Wachstum er gefördert hat, unter anderem über Akzelerator HighTechXL. Aber das dürfte niemanden wundern, denn der Campus wird von der Financial Times, von Fortune sowie Forbes als einer der besten Standorte für Hightech Venture Entwicklungen gesehen.
Eine der Erfolgsgeschichten am Campus ist LifeSense Grout, ein Unternehmen für technologische Entwicklungen, das mobile Produkte für Gesundheitsanwendungen entwickelt, wie Carin - ein Produkt, das Frauen bei der Bekämpfung unerwünschten Urinverlusts hilft. Das Unternehmen ist aus dem Holst Centre entstanden, einem Forschungs- und Entwicklungszentrum, das Technologien für drahtlose autonome Sensortechnologien und flexible Elektronik entwickelt, mit dem Ziel „einen Beitrag zur Meisterung weltweiter gesellschaftlicher Herausforderungen in den Bereichen Gesundheitswesen, Lifestyle, Nachhaltigkeit und Internet-der-Dinge zu leisten“.
Valer Pop, CEO von LifeSense Group, bezeichnet HTCE als Nummer Eins Standort der Welt für ihn und sein Unternehmen: „Dass HTCE auf meiner Visitenkarte steht, hilft enorm beim Abschluss von Geschäften in den USA, Japan oder sonst wo auf der Welt. Es ist wie eine Befürwortungserklärung: Man vertraut mir einfach, wenn ich sage, dass LifeSense an diesem Campus mit seinem weltweiten Ruf seinen Sitz hat, seit Philips hier zahlreiche seiner erfolgreichen Produkte gemacht hat.“
Der Campus tut was er kann, damit die Welt von dieser Communitiy der klugen Köpfe profitieren kann. So gibt es etwa 200 Veranstaltungen pro Jahr, häufig in Bezug auf die vorhandenen Kenntnisse. CEOs aller Unternehmen erhalten monatlich einen Newsletter mit den geplanten Veranstaltungen. Sie werden von Leuten unterschiedlicher Fachbereiche besucht. „Ich besuche oft Businessaktivitäten, die der Campus organisiert“, erzählt Martijn van der Linden von NXP. „Einen Tag der offenen Tür, eine Vorlesung. Ich begegne Kolleginnen und Kollegen anderer Unternehmen und da sich alle für die gleichen Themen interessieren, entsteht sehr schnell ein Dialog, und es werden neue Verbindungen geknüpft.“ Die Veranstaltungen finden nicht nur statt, damit die ansässigen Unternehmen zufrieden sind. Es ist auch ein effektives Marketinginstrument, um neue Unternehmen anzuziehen. De Vocht: „Eine effektive Weise, damit potenziell neue Nachbarn uns kennenlernen können.“
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