Auf dem Green Chemistry Campus in Bergen op Zoom entwickelt das Shared Research Center Biorizon Technologien für die Produktion von Bio-Aromaten. Das Ziel: Produkte, die nicht nur nachhaltiger sind, sondern auch leistungsfähiger.
Von nicht-verzehrfähigem Zucker bis zu Gülle: Es sind organische Rohstoffe, die sich u.a. zu einer glänzenden Beschichtung für Handys, zu Fahrradschläuchen oder sogar zu Auto-Armaturenbrettern verarbeiten lassen. Die Rede ist von Bio-Aromaten, wichtigen Bausteinen für die chemische Industrie. Aber wie bereitet man sie so auf, dass Hersteller sie nutzen können?
Bereits seit einiger Zeit spielten die „Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung“, kurz „TNO“ sowie ihr Gegenstück aus Flandern, Belgien, die „VITO“ (Vlaamse Instelling voor Technologisch Onderzoek) mit dem Gedanken, bei der Forschung zu Bio-Aromaten ihre Kräfte zu bündeln. Nach einem runden Tisch mit der Industrie Anfang 2013 in Bergen op Zoom war man sich sicher: Es gibt einen Bedarf an Bio-Aromaten als Ersatz für erdölbasierte Aromaten. Dafür gab es gute Gründe: Niemand beschäftigte sich bisher systematisch damit – und die Industrie war begierig darauf, mit ihnen zu arbeiten. Außerdem waren die beiden Organisationen mit ihrem Wissen, ihrer Kompetenz und Erfahrung in der Lage, ein weltweit führendes Forschungszentrum aufbauen.
Gesagt, getan – die beiden Institutionen taten sich zusammen, um neue Technologien zu erforschen. Daraus entstand letztendlich das „Shared Research Center Biorizon“ Bergen op Zoom in Brabant. Zunächst ging es um Laborstudien, danach um eine Pilotstudie und inzwischen ist man auf der Demo-Ebene angekommen.
Der Durchbruch kam 2020: Biorizon ist in der Lage, einen großen Umfang an Samples zur Verfügung zu stellen, womit mehr Hersteller die Bio-Aromaten in ihren eigenen Produkten testen können. „Sie erkennen, dass es ihre Produkte verbessert und diese zudem nachhaltiger macht“, sagt Joop Groen, Geschäftsführer von Biorizon.
Biorizon befindet sich auf dem Green Chemistry Campus in Bergen op Zoom. Dort arbeiten verschiedene Unternehmen an biobasierten und zirkulären Innovationen und teilen sich dabei verschiedene Einrichtungen. Gemeinsam mit Unternehmen und anderen Partnern untersucht Biorizon verschiedene organische Wertstoffe auf ihre Brauchbarkeit, um daraus schließlich Bio-Aromaten im industriellen Maßstab herzustellen.
Das Ziel von Biorizon ist es, der chemischen Industrie damit bisher unbekannte Rohstoffe zur Verfügung zu stellen. „Abfall ist dann kein unbrauchbares Restprodukt mehr, das man entsorgen muss, sondern ein wertvoller Rohstoff“, sagt Joop Groen. „Um den Klimawandel zu bekämpfen, müssen wir uns Alternativen zu fossilen Brennstoffen einfallen lassen. Bio-Aromaten erfüllen eine entscheidende Rolle bei der Realisierung einer Kreislaufwirtschaft und für die Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks. Zu diesem Prozess möchten wir mit unserem Wissen beitragen.“
Biorizon konzentriert sich auf die Produktion von Aromaten, die für die Eigenschaften von Produkten wie Kunststoffen, Harzen und Beschichtungen von essenzieller Bedeutung sind. Wie zum Beispiel Kratzfestigkeit und UV-Beständigkeit. Bei bis zu 40 Prozent aller Chemikalien sind Aromaten im Spiel.
Bis heute werden diese Aromaten großteils auf Basis von Erdöl hergestellt – aber es ist eben auch eine Produktion aus Bio-Rohstoffen möglich. „25 bis 30 Prozent des organischen Abfallberges eignen sich, um daraus Bio-Aromaten herzustellen“, schätzt Joop Groen. Bio-Aromaten sind „grüne“ Chemikalien, die letztlich eine nachhaltige Alternative zu vielen petrochemischen Produkten bilden. Dazu gehören auch Produkte, die bisher nur schwer zu recyceln waren, wie Farben, Klebstoffe und Schmiermittel.
Ziel von Biorizon ist es, ab 2025 die kommerzielle Produktion von Bio-Aromaten zu realisieren. Die Aussichten dafür sind positiv, aber die Forschung ist komplex und kostspielig. Weil es noch nie zuvor gemacht wurde, müssen aufwändige Anlagen speziell konzipiert, entwickelt und gebaut werden. Um aus Biorohstoffen hochreine Chemikalien mit genau den gewünschten Eigenschaften herzustellen, müssen die Verfahren gründlich durchdacht, umgesetzt und perfektioniert werden.
Die Ausweitung der Forschung und Produktion erfordert daher Investitionen in Höhe vieler Millionen. „Und natürlich kostet es Zeit und Energie, Konsortien zu gründen, um gemeinsam an solchen Projekten zu arbeiten“, sagt Groen. „Glücklicherweise hat Biorizon ein engagiertes, grenzüberschreitendes Team, das sich sehr gut gegenseitig ergänzt. Gemeinsam verfügen wir über ein weltweit einzigartiges Know-how in Bezug auf Entwicklung und Aufbereitung von Bio-Aromaten. Damit sind wir führend bei innovativen neuen Technologien für die Produktion von Bio-Aromaten.“
Biorizon arbeitet mit Partnern aus der gesamten Kette, von Lieferanten biobasierter Rohstoffe bis hin zu Herstellern von Produkten, in denen Bio-Aromaten eingesetzt werden können. Um die Kosten, aber später auch den Nutzen zu teilen.
Biorizon hat bewiesen, dass es in der Lage ist, verschiedene Arten von Bio-Aromaten aus Bio-Rohstoffen zu entwickeln, und zwar in solchen Mengen, dass die Industrie Tests für die Anwendung in Produkten durchführen kann. Daraus geht hervor, dass der Einsatz von Bio-Aromaten die Produkte nicht nur nachhaltiger, sondern auch besser macht. Sie sind zum Beispiel beständiger gegen UV-Strahlung und können Kratzern besser widerstehen. „Das sind wichtige Verkaufsargumente, denn das Nachhaltigkeitsargument allein reicht oft nicht aus“, sagt Groen.
Einer der Partner von Biorizon ist das in Brabant, in ’s-Hertogenbosch, ansässige Unternehmen Baril Coatings. Als mittelständischer Betrieb und Familienunternehmen ist sich Baril seiner sozialen Verantwortung sehr bewusst: „Unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie unsere Produktion sind darauf ausgerichtet, unseren Fußabdruck so klein wie möglich zu halten“, sagt technischer Leiter Joost Broeders. „Da wir ein relativ kleiner Akteur in der chemischen Branche sind, ist uns klar, dass wir das nicht allein schaffen können. Daher sind wir immer auf der Suche nach einer Bündelung von Kräften.“
Das half. Unter anderem dank des Einsatzes von Baril konnte gezeigt werden, dass Bio-Aromaten in bestimmten Alkyd-Bindemitteln für Lacke eingesetzt werden können. „Wir haben sogar festgestellt, dass diese biobasierten Bausteine mehrere Vorteile bieten, die zu mindestens gleicher, in einigen Bereichen sogar besserer Qualität führen“, sagt Broeders. „Das bestärkt uns in der Überzeugung, dass der Übergang von fossil zu biobasiert unaufhaltbar ist. Wir wollen dabei nicht Zuschauer sein, sondern einen aktiven Beitrag leisten.“
Der Green Chemistry Campus in Bergen op Zoom war von Anfang an die Heimatbasis von Biorizon in Brabant. Hier fand die allererste Beratung mit der Industrie statt, hier trifft sich das Team und ein großer Teil der speziellen Apparaturen steht in der Demo-Facility des Campus. Das Netzwerk des Campus und des „Circular Biobased Delta“, von dem sowohl der Campus als auch Biorizon einen wichtigen Teil ausmachen, ist daher sehr wichtig für die Entwicklungsarbeit von Biorizon.
Schneller als erwartet hat sich Biorizon zum fortschrittlichsten und anerkanntesten Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Bio-Aromaten der Welt entwickelt. Die Biorizon-Community hat fast 500 internationale Mitglieder und die jährliche Zusammenkunft bringt viele hundert Teilnehmer aus aller Welt nach Brabant.
Gemeinsam arbeiten sie auf das ultimative Ziel hin: die kommerzielle Produktion von Bio-Aromaten, die in einer breiten Palette von Produkten eingesetzt werden können. Aromaten, die Lacke, Klebstoffe, Polymere und viele andere Produkte nicht nur haltbarer, sondern auch funktioneller machen.
Als erstes Spin-off der Bestrebungen von Biorizon hat sich kürzlich „Relement“ auf dem Campus in Bergen op Zoom niedergelassen. Der Name „Relement“ beruht auf „The renewable Element“: die Erneuerbarkeit des wesentlichen Elements Aromaten. Das Unternehmen wird Bio-Aromaten im kommerziellen Maßstab für Anwendungen wie Schmierstoffe und Beschichtungen produzieren und verkaufen.
Einer der ersten Bio-Aromaten, den Relement auf den Markt bringt, ist ein Rohstoff zur Herstellung von 100 % biobasierten Alkydfarben. Dieser Lack hält nicht nur länger aufgrund besserer Kratzfestigkeit und UV-Beständigkeit, er ist auch wesentlich umweltfreundlicher. Da zur Produktion kein Öl mehr benötigt wird, kann Relement ab 2027 einen großen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten.
Biorizon ist überzeugt, dass eine Kreislaufwirtschaft auf der Basis biobasierter Rohstoffe die Lösung für die Herausforderungen ist, der sich die europäische Chemieindustrie stellen muss. Mit diesem Ziel vor Augen konzentriert sich Biorizon auf die Weiterentwicklung der Technologie, um den Weg für eine Produktion im industriellen Maßstab durch kontinuierliche Prozesse zu ebnen.
Zu diesem Zweck wird ein Applikationszentrum aufgebaut, um gemeinsam mit Kunden neue Anwendungen zu entwickeln. Ziel ist es, das bereits vorhandene Wissen, die Erfahrung und die Anlagen auf dem Gebiet der Bio-Aromaten optimal zu nutzen und zu erweitern. Daraus sollen kontinuierliche Produktionsprozesse für bio-aromatische Bausteine hervorgehen, die effektiv, nachhaltig, wettbewerbsfähig und sicher sind.
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