Lesen Sie, wie Erfinder an einer nachhaltigen Wirtschaft mit erneuerbaren Grundstoffen aus unseren Abfallbergen arbeiten.
Freunde von Willem Sederel beschreiben ihn als „einen hart arbeiteten, leidenschaftlichen Geschäftsmann, den alles interessiert und der Probleme schnell durchschaut“. Sogar jetzt, in seinem offiziellen Ruhestand, arbeitet er noch 40, 50 Stunden pro Woche. „Aber dabei bin ich noch ein bisschen suchend; ich möchte mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Enkelkindern verbringen. Und öfter mal mit meiner Frau unsere Lieblingsmuseen besuchen.“ Wie De Pont in Tilburg: „Dort gibt es wunderschöne Ausstellungen.“
Willem arbeitete 36 Jahre in der Petrochemie für internationale Unternehmen, die Plastics herstellen: Kunststoffe für unendlich viele Anwendungen. Für die Verpackungsindustrie, aber auch für Gebrauchsgegenstände wie Helme oder Autoteile. Er ist einer der Initiativnehmer des Green Chemistry Campus in Bergen op Zoom. Hier arbeiten nachhaltige Unternehmen nach dem Open-Innovation-Konzept an grüner Chemie für den Übergang auf eine nachhaltige Wirtschaft. Wie kommt es dazu, dass jemand „aus dem Öl“ seinen Fokus auf die biobasierte Wirtschaft verlagert?
Chemielehrer Dr. Van Woerkom brachte Willem Sederel die Liebe fürs Fach bei. „Er konnte so schön erzählen. Über überraschende Ergebnisse chemischer Versuche oder über die Herstellung bestimmter Materialien. Chemie begegnet man überall im Leben, auch wenn sie häufig verborgen ist.“ Nach seinem Studium und der Doktorarbeit für (selbstverständlich) Chemie landete er über Shell Research als Produktentwickler bei General Electric in Bergen op Zoom.
„Bei GE Plastics hatte ich eine fantastische Zeit. Dort habe ich wahnsinnig viel gelernt.“ 2007 wurde GE vom saudischen SABIC übernommen. Als Innovationsleiter Plastics war Willem an der Entwicklung der CD und DVD sowie von Polycarbonat, einem extrem harten und zähen Kunststoff, beteiligt. „Polycarbonat ist auf dem Mond gewesen! Daraus wurden Astronautenhelme gefertigt.“
Wie kein anderer weiß Willem Sederel, dass Innovation ein schwieriger Bereich ist. Von zehn innovativen Ideen, die ausgearbeitet werden, schafft die Hälfte es nicht. „Aber Erneuerungen in der Chemie können eine echte Wende herbeiführen, mit weltweiten Auswirkungen - beispielsweise auf die Umwelt.“ Nachhaltigkeit ist ein so wichtiges Thema: Für nachfolgende Generationen müssen wir unseren Planeten unbedingt gut hinterlassen. Der Stand der Dinge auf der Welt ist nicht gerade großartig, ich bin jedoch optimistisch. Bestimmte Probleme können wir heute in Angriff nehmen.“ Das will Willem auch für seine sechs Enkelkinder. Er bezeichnet sich selbst als Hands-on-Opa. „Raufen, Geschichten vorlesen... aber ich möchte ihnen auch etwas mit auf den Weg geben. Wenn ich erzähle, dass ich im Rotterdamer Hafen war, hängen sie an meinen Lippen.“
Sein Interesse für nachhaltige und erneuerbare Grundstoffe begann etwa 2003. Kunden fragten nach nicht-fossilen Materialien, denn Verbraucher wollten nachhaltigere Produkte. Vor allem Skandinavien war damit schon sehr weit. „Die Nachfrage war da, es konnte also nur ein Erfolg werden.“ Gemeinsam mit Kunden beurteilte GE Plastics die Lebenszyklusanalyse und den CO2-Fußabdruck. Erdöl als Rohstoff war nicht länger selbstverständlich. „Das war ein ganz anderes Spielfeld. Aus pflanzlichem Material konnten wir ganz andere Produkte herstellen, die von Natur aus antibakteriell waren oder eine bessere Sauerstoffbarriere hatten.“
Den ersten Ansatz zum Green Chemistry Campus (GCC) gab es 2009. Die Regionale Entwicklungsgesellschaft Westbrabant (Regionale Ontwikkelingsmaatschappij West Brabant, kurz: REWIN) fragte Unternehmen aus Westbrabant und Zeeland: Können Ihre Abfälle als Grundstoffe für Ihren Nachbarn dienen? Auch SABIC war mit von der Partie. Willem: „Das Ergebnis war, dass etwa die Hälfte dieser Unternehmen eine gemeinsame Agenda schrieb, die wir den Spitzensektoren anboten. Das Thema: Agro Meets Chemistry.”
Die Unternehmen wollten einen Standort, wo innovative biobasierte Produkte entwickelt werden könnten. Der entstand auf dem Gelände von SABIC in Bergen op Zoom. Ein eigenständiges, für diesen Zweck ausgezeichnet geeignetes Gebäude. „Wir erhielten die Erlaubnis von der höchsten Ebene von SABIC, aus Riyad. Heute ist dort das Campus Innovation Center vom GCC untergebracht.“ Partner sind die Provinz Nordbrabant, REWIN sowie die Gemeinde Bergen op Zoom. 2011 hat der Green Chemistry Campus mit drei Unternehmen begonnen. Inzwischen sind es 11; alles junge, auf biobasierte Techniken fokussierte Technologieunternehmen.
Was die Unternehmen am GCC entwerfen und herstellen, wird der Innovationsmotor der KMU. Sie wiederum werden die größeren Unternehmen bei der Vergrünung antreiben und für die Umsetzung der biobasierten Wirtschaft sorgen: eine Kreislaufwirtschaft von Reststoffen und Biomasse. Willem: „Nachhaltigkeit ist weltweit ein Thema, aber auch persönlich. Eigene Entscheidungen und persönliches Verhalten üben Einfluss aus. So sind meine Frau und ich bewusst Flexitarier. Und wenn wir nach Deutschland reisen, fahren wir mit der Bahn anstatt zu fliegen.“
Der Übergang auf eine grüne Wirtschaft sei nicht optional, sagt er, und werde anfangs Chaos verursachen. „Wir müssen eine andere Denkweise entwickeln, weniger an Privatbesitz festhalten.“ Lachend: „Ich teile sogar mein Segelboot bereits mit einer Gruppe junger Segler meines Vereins. Das ist toll! Man lernt so viel von jungen Menschen.“
Willem Sederel ist vom wirtschaftlichen Potenzial des GCC überzeugt: „Viele der Unternehmen dort werden in der Region Arbeitsplätze schaffen. Und einige, wie Biorizon und NNRGY Crops, sind echte Wegbereiter.“ NNRGY Crops stellt aus schnell wachsendem Riesen-Chinaschilf umweltfreundliches Papier sowie umweltfreundliche Biokunststoffe und Baumaterialien her. Biorizon entwickelt ein Produktionsverfahren für Bioaromaten aus pflanzlichen Reststoffen. Davon werden beispielsweise Farbe und Kosmetik hergestellt. Beide Unternehmen haben kurzfristig Pläne für Fabriken. Willem Sederel: „2025 kaufen meine Kinder und Enkel Produkte, die vom Green Chemistry Campus stammen, Sie werden es sehen!“
Petra Koenders, Geschäftsführerin vom Green Chemistry Campus: „Anfang 2018 wurde mit dem Bau unserer Demohalle mit Laboren für Verfahrens- und Produktexperimente begonnen. Kommenden Sommer ziehen dort neue Unternehmen ein. GCC bietet Unternehmen, die ihre biobasierten Innovationen ausweiten wollen, Mietmöglichkeiten für Labore und Arbeitsräume sowie Unterstützung bei der Finanzierung, beim Marketing und bei der Unternehmensführung. Wir möchten mehr Unternehmen miteinander verbinden und so den Austausch fördern.“ Ein anderer Vorteil des Standorts in Bergen op Zoom: die zahlreichen dort ansässigen Agrarunternehmen, die Lieferanten der Biomasse.
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