Als Noélie Wojewoda 2006 mit ihrem Job bei ASML in Veldhoven begann, war sie in ihrem Team die Einzige ausländischer Herkunft. Heute beschäftigt das Unternehmen Menschen aus 123 Nationen.
Als Noélie Wojewoda 2006 mit ihrem Job bei ASML in Veldhoven begann, war sie nicht nur eine der Jüngsten in der Gruppe direkter Kollegen, sondern auch die einzige Frau und außerdem die Einzige ausländischer Herkunft. Die französische Maschinenbauingenieurin – aufgewachsen in den Pariser Außenvierteln – hatte eine Praktikumsstelle für ihren Masterabschluss am INSA Lyon gesucht. In den USA und Großbritannien hatte sie keine geeignete Stelle nach ihren Vorstellungen finden können, ihr wurde jedoch ein Praktikum bei Philips in Eindhoven angeboten. „Über Eindhoven wusste ich nichts, ich wusste jedoch, dass dies eine gute Gelegenheit sein würde, mein Englisch zu verbessern und meinen Masterabschluss zu machen.“ Dabei blieb es aber nicht. Gegen Ende ihres sechsmonatigen Praktikums hatte sie beschlossen in der Stadt zu bleiben; über ein Vermittlungsbüro fand sie einen Job bei ASML.
ASML, der weltgrößte Chipmaschinenhersteller, ist eines der zahlreichen erfolgreichen Unternehmen, die aus Philips hervorgegangen sind. Das Unternehmen stellt keine Chips her, wie so manch einer denkt, sondern entwirft und baut Maschinen zur Herstellung von Chips. Das Unternehmen hatte Anfang 2019 Niederlassungen in über 60 Städten in 16 Ländern, mit der Hauptverwaltung in Veldhoven. Weltweit beschäftigt ASML etwa 24.000 Menschen. Der Umsatz stieg 2018 auf 10,9 Milliarden Euro.
„Damals fanden die Besprechungen auf Niederländisch statt und ich musste ständig um Übersetzung bitten“, lacht sie. „Heute hört man hier überall Englisch, also bei ASML hat sich im Laufe der Jahre wirklich vieles geändert.“ Das belegen auch die Zahlen: Ende 2018 waren in der Hauptverwaltung von ASML in Veldhoven 104 Nationalitäten vertreten, weltweit waren bei ASML 123 Nationalitäten beschäftigt. Das rasante Wachstum und die grenzenlose Nachfrage der Branche nach besonderen Fertigkeiten sieht man auch daran, dass nur die Hälfte der Neueinstellungen in Veldhoven die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt.
Dass sie eine Ausnahmeerscheinung war, sah Noélie damals vor allem als Vorteil: „Wenn man anders ist, bleibt man Menschen besser in Erinnerung“, sagt sie. Wichtiger noch, sie war sich bereits schnell darüber im Klaren, dass sie den idealen Ort für eine kreative Ingenieurin gefunden hatte. „Ich mochte dieses Unternehmen sofort. Es war und ist mir besonders wichtig, dass sich hier bei ASML Produktion und Entwicklungszentrum in unmittelbarer Nähe voneinander befinden. Man entwirft einen Bestandteil der Hardware, holt ihn beim Lieferanten ab, und geht dann über den Parkplatz zur Produktionsstätte um zu sehen, wie er funktioniert. Als Ingenieurin ist es super, dass man anfassen kann, was man sich ausgedacht und gemacht hat. Das macht mich wahnsinnig stolz.“
Noélie traf bei ASML auf eine tatkräftige Welt voller Chancen und das ist auch der Grund, weshalb sie all die Jahre bei ihrem Arbeitgeber geblieben ist: „Es gibt eine große Nachfrage nach dieser Umgebung. Die Halbleiterindustrie ist seltsam in dem Sinne, dass sie sehr kurze Zyklen kennt – alle zwei bis drei Jahre gibt es eine neue Maschine. Es gibt also nie einen Moment der Ruhe. Aber in technischer Hinsicht gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Uns steht es frei unsere Kreativität freizusetzen.“ Lachend fasst sie zusammen: „Eigentlich ist es eine Spielwiese für Ingenieure.“
Auch in finanzieller Hinsicht bestätigt ASML dieses Bild: Das Unternehmen hat im Laufe der Jahre stark in bahnbrechende Forschung und Entwicklung (R&D) investiert. 2018 für 1,6 Milliarden Euro; 2019 wird dieser Betrag sogar auf 1,9 Milliarden steigen. „Ich bin wissbegierig und versuche, alle drei bis vier Jahre zu einem anderen Projekt zu wechseln; in einem großen Unternehmen wie diesem geht das. Das Leiten eines Projektes macht Spaß, egal zu welcher Business Line es gehört, da alles mit Innovationen und Neuentwicklungen zusammenhängt. Arbeiten mit intelligenten Menschen – klugen Erfindern, Ingenieuren – und sie dann zu einem Ziel begleiten, das gibt mir Energie.“
Bei ASML 2006 als Maschinenbauingenieurin begonnen, ist Noélie heute Projektleiterin in der Business Line für extrem ultraviolette Strahlung (EUV). Diese Lithografietechnologie – das Herz der Chipherstellung – wurde relativ neu von ASML entwickelt; die erste EUV-Testmaschine wurde 2014 geliefert und seitdem sind Herstellung und Lieferung allmählich gewachsen. 18 EUV-Maschinen hat ASML 2018 geliefert, die Lieferung von weiteren 30 Systemen im Jahr 2019 ist vorgesehen. Eine EUV-Maschine kostet etwa 100 Millionen Euro.
Transparente Kommunikation und Organisationstalent sind ihrer Meinung nach ihre wichtigsten Fertigkeiten, das allerwichtigste ist jedoch der Wissensdurst. „Wenn wir neue Mitarbeiter an Bord nehmen, sage ich immer, dass man bei ASML proaktiv wissensdurstig sein sollte – immer mehr entdecken wollen, immer vorwärtskommen wollen.“
An einem gewöhnlichen Tag arbeitet Noélie mit ihrem internen zehnköpfigen Team. Außerdem hält sie Kontakt mit einer externen Lieferantengruppe von zehn Entwicklern. „Wir besprechen Probleme, die möglicherweise entstanden sind, beobachten die Fortschritte der alltäglichen Tätigkeiten und suchen nach Abstimmung. Das ist typisch niederländisch, denke ich: das sogenannte Poldermodell, womit man alle Meinungen unter einen Hut kriegen will. Das ist ganz nach meiner Art, darüber bin ich also froh.“
Ein Arbeitstag verfliegt schnell, deshalb hat sie meistens keine Zeit, in die Kantine – oder besser gesagt: in den großen Raum mit verschiedenen Restaurants – zu gehen und dort zu Mittag zu essen. „Wir arbeiten in einer Umgebung, wo man kaum merkt, wie die Zeit vergeht.“
Trotz des Arbeitstempos legt ASML großen Wert auf ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben, was für Noélie ein weiterer Grund ist, dass die Arbeit sie immer noch begeistert. Außerdem findet sie, dass dieser Grundsatz einen Beitrag zu den innovativen Erfolgen des Unternehmens leistet. „Ich denke, dass es besonders wichtig ist, dass man sich sowohl auf die Arbeit als auch auf die Familie richten kann. Menschen, die normal arbeiten und das Zusammensein mit ihrer Familie genießen, sind entspannter, leistungsfähiger und fokussierter. Wenn ich meine dreijährige Tochter für längere Zeit verlassen müsste, wäre ich gestresst und würde mich in meiner Haut nicht wohl fühlen.“
Noélies Eltern reisen in Kürze von Frankreich nach Veldhoven zu ASML, um am dortigen Familientag teilzunehmen. „Sie freuen sich richtig darauf“, sagt Noélie. ASML organisiert regelmäßig Familientage, extra um den Angehörigen der Beschäftigten einen Blick in die Küche ‚ihres‘ Unternehmens zu gönnen. Die Technologiewelt von ASML ist faszinierend und kompliziert zugleich. Teil des Familientages ist auch ein Besuch des interaktiven Experience Centers von ASML. Hier können Gäste unter anderem sehen, wie die Technologie funktioniert. Das Experience Center ist auch bei Schulen sehr beliebt. Jedes Jahr kommen tausende Jugendliche zu ASML, um zu lernen, wie fantastisch die Technik ist und was sich damit machen lässt.
Über die Frage, ob ihre Angehörigen ihre Arbeit verstehen, denkt sie kurz nach und lacht. „Mein Vater ist auch in der Branche tätig, ebenfalls als Projektleiter, also reden wir auch über unsere Arbeit. Und mein Mann arbeitet bei ASML. Also, ja, ich denke, dass meine Familie gut in der Lage ist zu erzählen, was ASML macht.“
Noélie sieht dieses Wachstum als eine bedeutende Leistung, meint jedoch, es könne noch ein paar Jahre dauern, bis man sehe, ob die Erfolge auch andauern werden. „Etwa 40 % des Personals war hier vor zwei Jahren noch nicht beschäftigt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns die Zeit nehmen, die Menschen in die Unternehmenskultur zu integrieren. ASML ist ein niederländisches Unternehmen und seine Erfolge sind der Tatsache zu verdanken, dass es in den Niederlanden und in Brabant seinen Sitz hat. Es herrscht eine Mentalität der Aufrichtigkeit und Offenheit sowie der Anerkennung der Tatsache, dass wir alle unterschiedliche Zuständigkeiten haben. Auch wenn Internationals neue Verhaltensmuster mitbringen – was positiv ist – sollten wir versuchen, die niederländische Kultur und Brabanter Identität der Zusammenarbeit zu bewahren.“
Innerhalb dieses Wachstums sei die größte technische Leistung von ASML die Schaffung der EUV-Technologie, meint sie. „Vor zehn Jahren war das alles noch im Forschungsstadium. Jetzt sehen wir, dass unsere Kunden die Maschinen für die Chipherstellung verwenden. Es ist erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt, denn die Maschinen sind überaus komplex, und uns wurde von Anfang an gesagt, die Entwicklung dieser Technologie sei unmöglich.“
Noélie stellt zufrieden fest, dass sie in den vergangenen Jahren viel Spaß an ihrer Arbeit gehabt hat. „Es bedeutet, dass ich meinen Platz, meine Rolle, einen Job und eine Umgebung, die mir gefallen, gefunden habe. Und dass ich mein Arbeitsumfeld so habe gestalten können, dass es zu dem passt, was mir gefällt. In gewissem Sinn ist jeder Tag eine Leistung. Das alles sorgt dafür, dass ich bei ASML bleibe.“
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