Ecotap erobert die Welt mit Solarladestation. Mit Personal mit geringen Perspektiven. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung und wirtschaftliche Erfolge. Wie geht das?
Was soll ein ehrgeiziger Hersteller von Ladestationen um Himmels Willen mit Personal anfangen, das auf dem Arbeitsmarkt kaum Perspektiven hat? Ist doch klar: die Welt erobern! Das bunt gemischte Team von Ecotap stürmte in wenigen Jahren an die Spitze Europas. Mit innovativen Höchstleistungen wie grünen, aus nachhaltigen Materialien hergestellten Ladestationen auf Sonnenenergie. „Zeitspitzenkräfte“ nennt CEO Kees van Bergen seine Leute stolz. Was ist das Geheimnis von Ecotap?
Offenheit ist das Erste, das einem vor Ort bei Ecotap auffällt. Menschen suchen einander in großen gemeinschaftlichen Arbeitsräumen auf; dass sie gemeinsam an riesigen Esstischen ihre Butterbrote schmieren, gehört dazu. Zur Unternehmenskultur gehört auch eine gewisse Direktheit, in den Fabrikhallen in Boxtel gibt es kein Genuschel und Getuschel. Wohl aber den Brabanter Dialekt, die Brabanter Nüchternheit, Bescheidenheit und den trockenen Humor. Ein dynamisches, innovatives und sehr erfolgreiches Unternehmen. Mit über 60 Beschäftigten, von denen der größte Teil früher nie zum Zug kam. Wie schafft Ecotap das?
Alles im Leben lief glatt bei Kees van Bergen, gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Töchtern. Er hatte ein blühendes Unternehmen für Autoreinigungsmittel. Gesundheit war eine Selbstverständlichkeit. Bis eine seiner Lieben chronisch erkrankte. Eine existenzielle Konfrontation für Kees. „Dieses Gefühl der Machtlosigkeit, das kannte ich vorher nicht.“ Aber diese Schattenseite des Lebens brachte ihm auch etwas Wesentliches. „Mein Bewusstsein entwickelte sich, mehr denn je wurde mir klar, was wichtig ist. Geld verdienen gab nicht länger den Anstoß. Ich verkaufte mein Unternehmen und hörte auf zu arbeiten.“ Aber nur von der Liebe kann eine Familie nicht ewig leben. Kees fing an, Saabs zu verkaufen, zehn Jahre lang.
Es war eine seiner Töchter, die ihn wachrüttelte: „Papa, was hinterlässt du in diesem Leben?“ „Diese achtlose Frage traf mich. Rückblickend auf mein Leben sah ich, dass ich von einer Generation bin, die auf die Umwelt pfeift. Ich hatte etwas gut zu machen. Ich wollte etwas mit grüner Mobilität tun.“ Ab dem Moment umarmte das Schicksal sein Vorhaben. Zuerst ging Saab pleite, Kees suchte nach einem neuen Kurs. Kurze Zeit später wendete sich ein ehemaliger Saab-Kunde - Peter, ein akademisch geschulter Techniker - an ihn. Ob Kees seinen Plan unterstützen wollte: die Entwicklung einer Ladestation für elektrische Fahrräder.
„Das war genau das, wonach ich suchte. Er die Technik und ich das Marketing. Alle Puzzleteile fielen an ihren Platz, ein seltsam synchrones Zusammentreffen verschiedener Umstände. Ich bin der ungläubigste Mensch auf Erden, aber diese Mission erschien wie vorbestimmt. Ecotap war geboren.“ Dann öffnet sich die Tür seines Arbeitszimmers. Peter tritt ein. „Das wird er sein, der Verursacher dieses ganzen Elends!“, scherzt Kees. Über Synchronizität gesprochen...
Die erste Ladestation glänzte durch ihre Schlichtheit. Eine Metallsäule mit Steckdose auf Netzstrom. Zunächst für elektrische Fahrräder. Ein voller Erfolg, die Säule hatte einen fliegenden Start. Aber Ideenmacher Kees und Peter strebten nach Umweltgewinn; grüner Strom war ihr neuer Traum. „Die Idee einer Solarladestation für elektrische Fahrräder, Roller und Elektromobile war revolutionär. Peter dachte, es sei technisch unmöglich. Aber meine technische Unkenntnis war dabei ein Segen. Ich ließ mich nicht von möglichen Hindernissen beeinflussen und glaubte bedingungslos daran. Schließlich setzte Peter den Schritt und ermöglichte das Unmögliche, echt genial.“
Ein starkes Zusammenspiel zwischen dem Ideenmacher und dem Techniker sorgt dafür, dass Ecotap dank hochwertiger Innovationen blüht. Kees zeigt ein Promotionsvideo. Eine junge blonde Frau schließt im Nu den Akku ihres E-Bikes an die grüne Säule mit Solarzellen an. „Meine Tochter“, grinst Kees. Im Video erzählt sie, dass ein Fahrradakku innerhalb einer Stunde aufgeladen ist, mit einer Kapazität von 18 Fahrrädern pro Tag. Die Säule funktioniert notfalls auch mitten im Busch, verlangt wenig Wartung und ist obendrein vandalismusbeständig. Außerdem lädt man mithilfe eines USB-Kabels gleichzeitig auch Telefon oder Tablet auf. Schulen und Kommunen sind begierige Abnehmer, innerhalb und außerhalb Europas. Kees: „In der Öffentlichkeit treten wir kaum in den Vordergrund, unsere Produkte verkaufen sich selbst. Aus der ganzen Welt kommt man hierher nach Boxtel, um sich unsere bahnbrechenden Innovationen zu sehen.“
Ecotap wuchs seit der Gründung in rasantem Tempo, ständig wurde neues Talent gebraucht. Scheinbar ein idealer Arbeitsplatz für erfolgreiche Techniker. Aber was tat Kees? Perfekt passende Bewerbungen landeten bei ihm im Müll. Stärker noch, er wählte gerade diejenigen aus, die sonst nirgends eine Chance bekamen. „Zeitspitzenkräfte“ nennt er sie liebevoll.
„Zeitspitzenkräfte wollen nicht zu Hause rumsitzen, sie wollen an die Spitze, mit all ihren Talenten.“ Der Grund für diese bemerkenswerte Entscheidung? Das war seine geliebte Person mit der chronischen Erkrankung. „Eine ehrgeizige Frau mit vielen Talenten. Ihre Qualitäten wollte sie wahnsinnig gern auf dem Arbeitsmarkt einsetzen. Aufgrund ihres Handicaps wurde sie jedoch immer wieder abgelehnt.“ Er ist sichtlich erbost. „Es schmerzt sehr, wie man in den Niederlanden mit Menschen mit Handicaps umgeht.“ Kees zog daraus seine Konsequenzen. „Ab dem Zeitpunkt wollte ich keine Menschen mehr einstellen, denen nichts fehlt. Wie kann ich einem Autisten sagen, dass er zu nichts taugt? Warum sollte jemand nach einem Burn-out keine neue Chance erhalten? Wieso soll jemand, der depressiv ist, aufs Abstellgleis? Weshalb sind Menschen mit 60 zu alt?“ Kees stellte sie alle ein.
Ist das keine problematische Zielgruppe für einen ambitionierten Arbeitgeber? Nicht für Kees. Stärker, er kann sich kein ehrgeizigeres Personal vorstellen. „Einschränkungen zählen bei Ecotap nicht. Menschen sollen sich bei uns mit dem auszeichnen, was sie gut können. Hier bekommen sie eine Chance, die sie sonst nirgends bekamen. Sie bekommen ihr Selbstwertgefühl zurück; jeden Tag sieht man, wie sie wachsen und aufblühen. Ich habe die leidenschaftlichsten, loyalsten und talentiertesten Menschen, die man sich vorstellen kann. Unsere glänzenden Unternehmensresultate verdanken wir ihrem grenzenlosen Einsatz.“ Viele bemerkenswerte Erfolgsgeschichten ziehen vorbei. Von Beschäftigten, die sich am Rande der Gesellschaft befanden, jedoch heute mit all ihren Qualitäten strahlen. Stück für Stück Beispiele persönlicher Wandlungen. Ecotap beweist, dass positive Zuwendung Wunder erwirkt.
Aber eine beschützende Werkstätte ist Ecotap keineswegs. Auch hier zählen die Kröten. Seine Beschäftigten werden von Kees nicht bevormundet. Der Idealist und der Geschäftsmann gehen bei ihm Hand in Hand. „Wir sind ein normales, kommerzielles Unternehmen, das Gewinne erzielen muss, mit dem ganzen Arbeitsdruck, der dazu gehört. Außerdem verdienen alle Beschäftigten so viel Respekt, dass sie auf ihre Verantwortung angesprochen werden, je nach Belastbarkeit. Wenn jemand höchstens 40 Prozent arbeiten kann und das dann mit vollem Einsatz tut, ist das mein Held oder meine Heldin. Aber wenn diese Person nur 30 Prozent gibt, werde ich sie darauf ansprechen. Bei jeder neuen Arbeitskraft gibt es ein gegenseitiges Herantasten. Unsere Begleitpersonen stellen sich so gut wie möglich auf die Fähigkeiten und Unfähigkeiten jedes einzelnen ein. Natürlich geht dabei auch mal etwas schief. Aber das ist hier auch erlaubt. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, zugleich stehen wir mit beiden Beinen fest auf dem Brabanter Lehmboden. Willkommen in der realen Welt!“
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