Die Provinz Noord-Brabant kann sich zu Recht als Hotspot für pharmazeutische und medizintechnische Entwicklungen bezeichnen. Die Hälfte des gesamten niederländischen Produktionswertes im Bereich Life Sciences & Health (etwa zehn Milliarden Euro) entsteht in Noord-Brabant. Fast ein Viertel aller Arbeitsplätze in diesem Sektor entfallen auf diese Provinz. Vor allem die Biotechnologie wächst rasant: Die Zahl der Unternehmensneuansiedlungen ist seit 2014 um 43 % gestiegen und die Zahl der Arbeitsplätze in dieser Branche hat sich verdoppelt.
Brainport (Medizintechnik) und Noordoost-Brabant (Pharma) bilden den Kern der Aktivitäten von Brabant in diesem Sektor. Die Entwicklung von Lösungen im Bereich von E-Health findet in der gesamten Provinz statt. Wer also in den Niederlanden etwas mit Life Sciences zu tun hat, kommt an Brabant nicht vorbei.
Die von der „Brabantse Ontwikkelings Maatschapij“ (BOM) in Auftrag gegebene Studie „Life Sciences & Health Sector“ vermittelt ein umfassendes Bild der Rolle, die Brabanter Unternehmen, Hochschulen, Wissenseinrichtungen und Behörden in diesem Sektor spielen. „Zwischen 2014 und 2018 ist die Zahl der LS&H-Betriebe in Brabant um über 11 % gestiegen“, sagt BOM-Projektleiter Thijs Taminiau. „Und das Beschäftigungswachstum war mit 15,4 % sogar noch höher.“ Taminiau zufolge liegt ein wichtiger Grund für den Standortvorteil Brabants in diesem Sektor in seinem konstruktiven Kooperationsmodell. „Kurz gesagt: der Aufbau von Partnerschaften in der Region ist ein schneller und reibungsloser Prozess. Personen oder Unternehmen, die einsteigen und einen Beitrag leisten wollen, machen sich schnell zu eigen worum es geht und können bald mitprofitieren.“
In Brabant gibt es 910 Niederlassungen von Unternehmen der Biowissenschaften und des Gesundheitswesens, die 18.160 Arbeitsplätze bieten. Dies entspricht 15,6 % und 23,5 % des gesamten niederländischen Sektors Biowissenschaften und Gesundheit. Mit Philips (in der Umgebung Eindhoven) und MSD in Oss gibt es bekannte, große Namen in diesem Sektor, aber auch viele kleinere. Darüber hinaus gibt es Hunderte von anderen Unternehmen, die entweder selbstständig oder als Zulieferer in diesem Sektor tätig sind. Beispiele dafür sind Unternehmen wie Thermo Fisher Scientific, VDL, Neways, Siemens, Sioux und Kulicke & Soffa.
Marktforscher bringen den Erfolg von Brabant im Bereich Biowissenschaften und Gesundheit auch mit der überdurchschnittlichen „Innovationsintensität“ der Provinz in Verbindung. Die gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben des privaten Sektors belaufen sich auf etwa 3 % des regionalen Bruttoinlandsprodukts. Das ist mehr als das Doppelte des nationalen Durchschnitts (1,15 %). In Europa steht Brabant an fünfter Stelle auf der Liste der Regionen mit den meisten Patentanmeldungen.
Pharma und Medtech stechen innerhalb des Sektors besonders hervor. Etwa 40 % aller niederländischen Arbeitsplätze in der Herstellung von pharmazeutischen Grundstoffen und pharmazeutischen Präparaten befinden sich in Brabant. Noch dominanter ist Brabant in der Produktion von Bestrahlungs-, elektromedizinischen und elektrotherapeutischen Geräten (wie Bildgebungs-, Gesundheitsüberwachungs- und Detektionsgeräten) mit einem Anteil von fast drei Vierteln aller Arbeitsplätze in den Niederlanden.
Vor allem die Forschung und Entwicklung in der Biotechnologie hat sich rasant entwickelt. Die Zahl der Unternehmensansiedlungen stieg zwischen 2014 und 2018 um 43 % und die Zahl der Arbeitsplätze hat sich fast verdreifacht (+ 260 %). Dieses spektakuläre Wachstum ist weitgehend auf den Erfolg des biopharmazeutischen Forschungscampus Pivot Park und seine Nachbarn MSD (Merck) und Aspen zurückzuführen. Innerhalb von sieben Jahren ist Pivot Park, errichtet auf dem Fundament von Organon Research, zur Basis von 60 biopharmazeutischen Forschungsunternehmen und -instituten mit fast 600 Beschäftigten geworden.
„Die Existenz einer vollständigen Wertschöpfungskette in der Medizintechnik und der Pharmazie zeigt, dass Brabant über einen ausgereiften und florierenden Life Science- und Gesundheitssektor verfügt“, sagt Taminiau. „Das Vorhandensein von Forschung, Produktion und Logistik in einem relativ kleinen geografischen Gebiet ist auch eine Einladung für in- und ausländische Unternehmen, Teil dieses Habitats zu werden.“
Ein Beispiel für diese Unternehmen ist BioConnection, das in Oss unter anderem über pharmazeutische Abfüllanlagen verfügt, die 40 bis 50 Millionen Impfstofffläschchen pro Jahr in einer sterilen Umgebung verpacken können. „Wir können einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Corona-Impfstoffen oder eines Medikaments gegen dieses Virus leisten“, sagt CEO Alexander Willemse. „Bei einer Kapazität von 40 Millionen Dosen pro Jahr sprechen wir von 200 Millionen Dosen. Angesichts von 446 Millionen Einwohnern in Europa wird deutlich, dass wir eine beachtliche Produktionskapazität haben.“ Willemse befasst sich aber auch mit neuen innovativen Therapien. „Junge Unternehmen, Spin-offs von Universitäten: Wir sind auch in der Lage für ihre ersten klinischen Tests sehr kleine Mengen zu liefern. Sogar von Hand befüllen ist bei uns kein Problem. Wir unterstützen diese Start-ups mit Freude und helfen Ihnen in einem späteren Stadium auch gerne bei der Ausweitung der Produktion.“
Auf einem anderen Feld bewegt sich Xeltis, das sich vom TU/e Campus in Eindhoven aus der Entwicklung implantierbarer, mitwachsender Herzklappen beschäftigt. Am Anfang steht ein Implantat, aber Schritt für Schritt absorbiert der Körper diese künstliche Herzklappe und baut eine neue, körpereigene um sie herum auf. Dabei bildet der Patient sein eigenes Gewebe im Inneren der Xeltis-Herzklappe, wodurch eine neue, natürliche und voll funktionsfähige Herzklappe entsteht. Die ersten Erfolge dieses Konzepts haben bereits dazu geführt, dass die bioresorbierbaren Polymere, aus denen die Herzklappen von Xeltis hergestellt werden, nun auch für die Bildung von Blutgefäßen verwendet werden.
„Viele kennen wohl jemanden, der eine Angioplastie oder einen Bypass an verstopften Blutgefäßen um das Herz herum hatte“, sagt Mitbegründer und Chief Technology Officer Martijn Cox. „Solche Operationen werden jedes Jahr weltweit millionenfach durchgeführt. Das Verfahren besteht dann darin, ein oder zwei Blutgefäße aus dem eigenen Bein des jeweiligen Patienten zu verwenden. Dazu muss das Bein geöffnet werden, was Narben und andere Beschwerden verursacht. Und nach einiger Zeit verschließen sich häufig auch diese Gefäße wieder. Wir haben jetzt eine Alternative entwickelt, die auf unserer Technologie basiert. In dem künstlichen Blutgefäß wächst dann neues Gewebe und übernimmt nach und nach dessen Aufgaben. Und wo das Problem normalerweise darin besteht, dass sich das Material an den Wänden dieser winzigen Gefäße ablagert und das Gefäß dadurch wieder verstopft, erzielt man mit unseren biokompatiblen Materialien viel bessere Ergebnisse.“
Wen man von Herzklappen-Operationen spricht, kommt man auch nicht um Philips herum. Das weltbekannte Unternehmen, das vor über 100 Jahren in Eindhoven gegründet wurde, hat einen erfolgreichen Wandel vollzogen und ist heute ein weltweit führender Anbieter von hochkomplexen medizinischen Geräten. Diese reichen von Computertomographen über Gesundheitsüberwachungssysteme für zu Hause bis hin zu Technologien für die minimalinvasive Chirurgie – auch bekannt als „Chirurgie ohne Schnitt“. Damit ist es sogar möglich, eine Herzklappe mit Hilfe eines kleinen Schlauches zu ersetzen, der durch die Leiste eingeführt wird. Die Ärzte können exakt sehen, was sie tun, denn jedes Detail im Inneren des Körpers des Patienten ist in 3D sichtbar.
Gesundheitsüberwachungssysteme und E-Health sind auch das Betätigungsfeld von Start-ups, Forschungseinrichtungen und etablierten Unternehmen in Brabant. Wo Philips sich auf große Systeme konzentriert und das Holst Centre Holst Centre – die „Werkstatt“ von TNO und Imec auf dem High Tech Campus – sich vor allem auf R&D richtet, sind Start-ups wie Recover@Home und Mentech mit spezifischen Nischen im Sektor beschäftigt. Ersterer hat ein System für die häusliche Rehabilitation von Covid-19-Patienten gebaut, der andere entwickelt das „HUME“, ein System zur Echtzeitmessung von Stress und Emotionen bei gefährdeten Personen, beispielsweise in Pflegeeinrichtungen. Ziel ist es, Lebensqualität und Wohlbefinden von Menschen zu verbessern.
Das Mentech-System besteht aus einem Armband mit eingebauter Elektronik und Sensoren zur Messung physiologischer Daten wie Herzfrequenz, Hautleitwert, Hauttemperatur und Akzeleration. Damit verbunden ist eine Datenanalyseplattform, die diese Messungen in Stresswerte und andere Emotionen überträgt. Die erste Version des Systems wurde entwickelt, um Stressaufbau bei Menschen mit unverstandenem Verhalten zu erkennen, z. B. bei Menschen mit schweren geistigen Behinderungen oder Demenz.
An der Schnittstelle von Medtech und Pharma befindet sich Glycostem Therapeutics, wie auch BioConnection angesiedelt im Pivot Park. CEO Troels Jordansen lobt die Bedingungen und das Netzwerk auf diesem Campus. „Die Möglichkeiten, die wir im Pivot Park haben, helfen uns, unsere Ziele zu erreichen. Hier sind wir Teil einer Tradition und einer Gemeinschaft, die begreift, was wir tun. Und unsere Mitarbeiter können von anderen Unternehmen lernen.“ Glycostem hat eine Zelltherapie entwickelt, mit der die Heilung einiger Krebsarten in greifbare Nähe rückt.
Im Mittelpunkt der Therapie steht die Entwicklung von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), die aus Stammzellen gewonnen werden und „der neue Star auf dem Gebiet der zellulären Immuntherapie“ sind. Der Kern der Lösung: Verwendung guter Zellen zur Bekämpfung schlechter Zellen im Körper. Vorerst liegt der Schwerpunkt auf zwei spezifischen Blutkrebsarten. Wenn dieser Schritt erfolgreich ist, wird die Bekämpfung von Tumoren folgen. Ende 2020 wurden die ersten Patienten behandelt. Jordansen: „Das ist, was uns alle antreibt: zu sehen, wie Patienten weiterleben, die sonst vielleicht verstorben wären.“
Jordansens Tatkraft bringt gut auf den Punkt, warum sich Brabant zum Hotspot für Biowissenschaften und Gesundheit entwickelt hat. Der strukturelle Schwerpunkt auf R&D sorgt für einen technologischen Vorsprung, der durch aufgabenorientiertes Unternehmertum und einen ständigen Drang zur Zusammenarbeit noch verstärkt wird.
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